Das Ringen um die Zukunft von TKSE ist in die nächste Runde gegangen. Die IG Metall hat während der Verhandlung am 18. Juni konstruktive Vorschläge für eine gesicherte Zukunft der Stahlsparte präsentiert. Der Vorstand hat sein Konzept immer noch nicht ausreichend mit Maßnahmen hinterlegt. Klar ist aber: Die IG Metall erwartet ab sofort belastbare Konzepte und fordert den Vorstand auf, unverzüglich auf die Lösungsansätze der Gewerkschaft einzugehen.
Bei den heutigen Verhandlungen haben IG Metall und Betriebsräte Wege aufgezeigt, wie eine Restrukturierung der Stahlsparte beginnen kann. Dies ist ein wichtiger Schritt, um endlich in Bewegung zu kommen. Denn der Vorstand verharrt bislang weitgehend regungslos und bleibt Antworten schuldig. „Der Arbeitgeber hat nur Zahlen vorgelegt, zum Beispiel dass wir mit Tausenden Stellen weniger auskommen müssen“, sagt IG Metall-Verhandlungsführer Knut Giesler. „Aber gleichzeitig hat der Vorstand keinen blassen Schimmer, ob und wie der Betrieb mit weniger Beschäftigten fortgeführt werden kann.“
Die IG Metall und die TKSE-Betriebsräte sind da deutlich kreativer. Ihr Plan: Ein zeitlich begrenzter Probebetrieb soll in einzelnen Bereichen zeigen, ob die Arbeit überhaupt mit weniger Beschäftigten geleistet werden kann. Eine tarifliche Kommission soll diesen Prozess beobachten. Sie kann einschreiten, sobald sich abzeichnen sollte, dass der Betrieb so nicht durchzuführen oder ineffizient ist. „Dies haben wir dem Arbeitgeber vorgestellt. Jetzt liegt der Spielball in seinem Feld. Nun muss er liefern. Wir brauchen jetzt schnell Klarheit über die Restrukturierung und darüber, was diese für die Beschäftigten bedeutet. Ein Weiter-so darf es nicht geben“, sagt Giesler. Für Tekin Nasikkol ist das ein konstruktiver Vorschlag. „Der Arbeitgeber hat bislang keine Lösungen aufgezeigt. Er hat die Verantwortung für das operative Geschäft”, sagt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende. „Wir müssen aufpassen, dass wir auch zukünftig sicher und guten Stahl produzieren.“ Die Zukunft ohne Konzept anzugehen hieße, sich dem Vorstand auszuliefern. „Einen Blankoscheck zum Personalabbau unterschreiben wir nicht“, sagt Nasikkol.
Die IG Metall hat in den heutigen Verhandlungen außerdem weitere Forderungen erhoben:
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Bislang nicht erfolgte Investitionen zur Aufrechterhaltung des Betriebs müssen nachgeholt werden.
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Zusagen über Finanzierungen an allen Standorten müssen eingehalten werden.
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Die Direktreduktionsanlage muss fertiggestellt werden.
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Weitere Verkäufe von Stahltochtergesellschaften darf es nicht geben.
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Der Hochofen HO1 muss weiterbetrieben werden. Auch dafür sind Investitionen nötig.
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Der Hochofen HO9 darf nicht vorzeitig geschlossen werden.
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Bei Personalfragen pocht die Gewerkschaft zum Beispiel auf erweiterte Altersteilzeitangebote, auf Entgeltsicherungen bei Versetzungen und auf Qualifizierungen.
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Die Anzahl der Ausbildungsplätze darf nicht angetastet werden.
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Bei neu zu besetzenden Stellen haben Kollegen aus dem Konzern Vorrang vor externen Arbeitskräften.
In der vergangenen Verhandlung hatte der Vorstand zudem eine umfassende Streichliste vorgestellt. Damit greift er tarifliche und betriebliche Errungenschaften der Beschäftigten an. „Wir haben heute deutlich gemacht, dass wir dies grundsätzlich ablehnen“, sagt Giesler
Restrukturierung
BEULE ODER TOTALSCHADEN?
Im Laufe der Verhandlungen wird es immer deutlicher: Der Konzern setzt den TKSE-Beschäftigten die Pistole auf die Brust. Seine Forderungen sind haarsträubend: Beschäftigte sollen auf tarifliche und betriebliche Errungenschaften verzichten, es soll tausendfach Personal abgebaut werden und zugleich muss die Effizienz von TKSE steigen.
Ohne ein Eingehen auf diese Daumenschrauben würde ein sogenanntes IDWS6-Gutachten womöglich nicht positiv ausfallen, sagt der Vorstand. Ein solches Gutachten entscheidet über die Fortführungsfähigkeit eines Unternehmens – auch bei TKSE. Vorstand und auch Aufsichtsrat benötigen es als rechtliche Grundlage für ihre Entscheidungen.
„Mit dem Gutachten ist es wie nach einem Autounfall“, sagt Tekin Nasikkol. „Ein Sachverständiger bewertet, ob der kaputte Wagen nur ausgebeult werden muss – oder ob es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden handelt.“ Also Weiterfahrt oder Ende.
Bei TKSE stehen wir leider kurz vor dem wirtschaftlichen Totalschaden. Die wirtschaftliche Lage im Unternehmen spitzt sich weiter zu. Der Vorstand fordert Einsparungen von einer Milliarde Euro innerhalb von fünf Jahren. „Wir müssen den Kollegen und Kolleginnen reinen Wein einschenken und die Frage beantworten, ob wir den Abgrund erst in der Ferne sehen oder schon hinunterschauen“, sagt Nasikkol. Dem Arbeitgeber wirft er vor, einzig und allein auf dem Rücken der Beschäftigten den Stahl restrukturieren zu wollen. „Das ist unverantwortlich. Unsere Mutter, die Thyssenkrupp AG, ist in der Pflicht, das Geld für unsere Zukunft bereitzustellen.“