70 Jahre Anwerbeabkommen Wie Gastarbeiter*innen gleichberechtigte Kolleg*innen wurden

Wer waren die Menschen, die über das Anwerbeabkommen nach Deutschland kamen? Was bewegte sie? Wir porträtieren exemplarisch neun von ihnen, die nach Deutschland kamen, um sich ein besseres Leben aufzubauen.

28. Mai 2025 28. Mai 2025 Eine Ausstellung der IG Metall


Sie kamen mit der Hoffnung im Koffer und dem Versprechen, dass es ihnen einmal besser gehen würde. Dann trafen sie auf Ungerechtigkeit – und auf das Gefühl, sich für andere einsetzen zu wollen. Und zwar gemeinsam mit der IG Metall. In dieser Ausstellung wollen wir sie kennenlernen.

Vor 70 Jahren, am 20. Dezember 1955, wurde das erste Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und Italien unterzeichnet – als Reaktion auf personelle Engpässe in den Betrieben. In der Folge wurden acht Abkommen mit weiteren Ländern vereinbart. Bis zum Anwerbestopp im Jahr 1973 kamen etwa 14 Millionen Gastarbeiter*innen in die Bundesrepublik Deutschland (BRD), von denen 11 Millionen wieder in ihre Heimatländer zurückkehrten. Auch die Deutsche Demokratische Republik (DDR) hatte mit zehn Staaten ähnliche Verträge ausgehandelt. Bis zur Wende kamen etwa 200.000 Vertragsarbeiter*innen ins Land

Ohne die sogenannten Gastarbeiter*innen ist die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands – insbesondere das Wirtschaftswunder in den 1950er- und 1960er-Jahren – undenkbar. Sie sind seit Langem keine Gäste mehr, sondern ein fester Bestandteil dieser Gesellschaft. Gewerkschaften haben von Beginn an eine bedeutende Rolle gespielt. Aus den ausländischen Beschäftigten wurden Kolleg*innen, Wegbegleiter*innen und Freund*innen – und viele von ihnen Gewerkschaftsmitglieder. So wurde die IG Metall zu einer Einwanderungsgewerkschaft.

1971, Gelsenkirchen.  Szene in einem  Barackenlager für  spanische Gastarbeiter*innen einer  Essene 1971, Gelsenkirchen.  Szene in einem  Barackenlager für  spanische Gastarbeiter*innen einer  Essene

1971, Gelsenkirchen. Szene in einem Barackenlager für 
spanische Gastarbeiter*innen einer Essener Baufirma.

Anwerbeabkommen der BRD

Abkommen über Werkvertragsarbeiter*innen der DDR

1955 mit Italien 

1963 mit Polen

1960 mit Spanien

1967 mit Ungarn

1960 mit Griechenland

1974 mit Algerien

1961 mit Türkei

1975 mit Kuba

1963 mit Marokko

1979 mit Mosambik

1964 mit Portugal

1980 mit Vietnam

1965 mit Tunesien

1982 mit Mongolei

1968 mit Jugoslawien

1984 mit Angola

 

1986 mit China

 

1986 mit Nordkorea



»Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.« 

 Max Frisch


 


Ursachen der Ausländerbeschäftigung 

Fehlende Arbeitskräfte aufgrund von: Wirtschaftswachstum, Gründung Bundeswehr, Mauerbau, Arbeitszeitverkürzung, Verlängerung von Tarifurlaub.

 

Ausländische Beschäftigte und Mitglieder im Organisationsbereich der IG Metall

 

Jahr

Ausländische Beschäftigte

Ausländisch Organisierte

Organisationsgrad (%)

1960

165.000

11.657

7,1

1965

404.000

85.650

21,2

1970

764.000

214.044

28,0

1975

634.000

330.000

52,1


 

IG Metall-Mitglieder mit Migrationshintergrund heute 

Im Jahre 2016/17 hat die IG Metall erstmalig wissenschaftlich ermitteln lassen, wie hoch der Anteil ihrer Mitglieder mit Migrationshintergrund ist. Die Befragung wurde 2022/23 ein zweites Mal durchgeführt. Die zentralen Ergebnisse: 

Über 500.000 Mitglieder der IG Metall haben einen Migrationshintergrund – das sind 24% aller Mitglieder. Im Betrieb sind es sogar 27%. 

29% aller gewerkschaftlichen und 21 % aller betrieblichen Funktionär*innen haben einen Migrationshintergrund. Bei den Vertrauensleuten sind es 31 %, im Betriebsrat sind es 21 %, bei der Jugend- und Auszubildendenvertretung 26%. Der Anteil der Repräsentation ist gerade im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Bereichen hoch. 

Die meisten Mitglieder mit Migrationshintergrund stammen aus der Türkei (19%), Polen (12%), aus Russland und Kasachstan (je 9%) und aus Italien (8%). Dreiviertel sind 20 Jahre und länger in Deutschland und weit über zwei Drittel haben einen deutschen Pass.

Fotoausstellung – Wie Gastarbeiter*innen gleichberechtigte Kolleg*innen wurden