Die Lohnfortzahlung
Bis Mitte der 50er Jahre erhielten nur Angestellte bei Krankheit sechs Wochen vollen Lohn, Arbeiterinnen und Arbeiter nur eine geringe Unterstützung aus der Krankenkasse, nachdem sie in den ersten drei Tagen überhaupt kein Geld erhalten. Vor allem längere Krankheiten konnten Arbeiterfamilien hart treffen, aber auch die drei Karenztage stellten eine große Hürde dar, sich überhaupt krank zu melden. Viele gingen krank zur Arbeit, verschleppten Krankheiten, aus kleinen Infekten wurden schwere Krankheiten, die Lebenserwartung war deutlich niedriger.
Die IG Metall unter Otto Brenner begann 1956 einen Streik für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in Schleswig-Holstein, der letztlich 16 Wochen dauerte und wegen des anschlussfähigen Gerechtigkeitsthemas weit über die IG Metall hinaus gesellschaftliche Unterstützung fand. Gleichzeitig stand auch die Bundesregierung unter Druck, weil deutlich wurde, dass es sich nicht nur um ein betriebliches, sondern um ein gesellschaftspolitisches Thema handelte. Die IG Metall war hier klar parteiisch.
1957, nach dem 16-wöchigen Streik, erfolgte dann die Regelung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch einen Tarifvertrag.
1969 wurde das Lohnfortzahlungsgesetz eingeführt, das die Regierung Kohl jedoch 1996 zulasten der Beschäftigten änderte. Es sollten von nun an nur noch 80 Prozent des Lohns gezahlt werden. Die Arbeitgeberverbände klagten über hohe Lohnnebenkosten und forderten Entlastungen, argumentierten, die Reduzierung der Lohnnebenkosten würde Arbeitskosten senken und somit mehr Jobs schaffen.
Dieser staatliche Eingriff führte zu massiven, bundesweiten Protesten: In Bonn gingen unter anderem 350.000 Gewerkschaftsmitglieder auf die Straße. Der Druck zeigte Wirkung und die rot-grüne Bundesregierung änderte das Gesetz 1999 zu Beginn ihrer Amtszeit.