Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage (SVR) hat in seinem neuen Jahresgutachten deutliche Worte gefunden: Deutschland ist ein Spitzenreiter – allerdings bei der Vermögensungleichheit. Gemeinsam mit Österreich weist das Land die höchste Vermögenskonzentration im Euroraum auf.
Reichtum ganz oben – fast nichts unten
Nach den vom SVR verwendeten Daten besitzen die reichsten 10 Prozent der Haushalte rund 59 Prozent des gesamten Vermögens. In den 1990er Jahren waren es noch 56 Prozent – der Trend zeigt also weiter nach oben. Gleichzeitig sank der Vermögensanteil der ärmeren Hälfte der Bevölkerung von 4 Prozent auf unter 2 Prozent.
Auch die Vermögensarten sind extrem ungleich verteilt:
- 50 Prozent der Immobilienvermögen liegen beim obersten Zehntel,
- über 85 Prozent der Betriebsvermögen ebenfalls.
Wer viel Vermögen hat, bleibt meist oben. Wer wenig hat, bleibt unten. Von sozialer Mobilität kann kaum die Rede sein.
Ungleichheit hat ein System – und Folgen
Die Wirtschaftsweisen warnen: Große Vermögenskonzentration ist kein Naturgesetz, sondern ein gesellschaftliches Risiko. Sie kann:
- Zugang zu Bildung und Gründungschancen blockieren,
- wirtschaftliche Entwicklung hemmen,
- ökonomische Macht bündeln – und damit politischen Einfluss.
Besonders betroffen sind Menschen in Ostdeutschland sowie Menschen mit Migrationshintergrund. Trotz vergleichbarer Unternehmensaktivität verfügen sie über deutlich geringere Betriebsvermögen – unter anderem als Folge der Privatisierungsstrategien nach 1990.
Erben statt erarbeiten – ein zentrales Problem
Bis zu 50 Prozent der Vermögen entstehen laut SVR durch Erbschaften und Schenkungen – also nicht durch eigene Leistung. Trotzdem profitieren Großvermögen massiv von Steuervorteilen.
Beispiele aus dem Gutachten:
- Zwar steigen Steuersätze bei großen Erbschaften –
- aber ab 20 Millionen Euro sinkt der durchschnittliche Steuersatz durch Sonderregeln von 14,3 % auf 7,3 %.
- Im Jahr 2024 sparten 45 sehr wohlhabende Personen insgesamt 3,4 Milliarden Euro an Erbschaftsteuer.
Damit zahlen Milliardenerben oft weniger Steuern als normale Bürgerinnen und Bürger mit deutlich kleineren Erbschaften.
Was empfehlen die Wirtschaftsweisen?
Der SVR fordert:
• Sonderregeln für Betriebsvermögen abschaffen oder massiv beschränken.
• Keine Flat Tax, da sie große Vermögen bevorzugen würde.
• Vermögensaufbau für breite Bevölkerung fördern – allerdings realistisch: 13 Prozent der Haushalte können gar nicht sparen, weil Einkommen fehlen.
Deshalb kommt der Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer besondere Bedeutung zu.
Warum das jetzt wichtig ist
Deutschland kann es sich nicht leisten, große Vermögen steuerlich zu subventionieren, während ein Großteil der Bevölkerung kaum Vermögen besitzt. Ungleichheit gefährdet wirtschaftliche Dynamik, sozialen Zusammenhalt und Demokratie.
Mehr Informationen
Der DGB fordert seit Langem gerechtere Besteuerung großer Vermögen. Eine ausführliche Übersicht findet sich in der neuen Broschüre zur Steuergerechtigkeit.